Veranstaltungsbericht: InkluDay – Die erste digitale Jugendkonferenz der Aktion Mensch

Veranstaltungsbericht: InkluDay – Die erste digitale Jugendkonferenz der Aktion Mensch
Samstag, 26.09.2020; Live-Programm: 09:30-14:00

Am vergangenen Samstag, 26.09.2020, hat die Aktion Mensch die digitale Jugendkonferenz „InkluDay 2020“ veranstaltet. Die Moderatorinnen Ninia LaGrande und Suri Abbassi sprachen von 10 bis 14 Uhr mit jungen Menschen u.a. darüber, was Inklusion und Solidarität für sie bedeutet und welche persönlichen Erfahrungen sie mit Diskriminierung gemacht haben. Während der Gespräche konnten alle Teilnehmer*innen Feedback geben und per Nachricht Fragen stellen. Bereits vorab konnten sich außerdem alle Interessierten zu verschiedenen Online-Workshops anmelden, die nachmittags im Anschluss an die moderierten Diskussionen mit den eingeladenen oder zugeschalteten Gästen stattfanden und bis zum Abend andauerten. Bis zu zwei Workshops durften besucht werden, für alle Teilnehmer*innen gab es außerdem die Möglichkeit, zwischen den Workshop-Phasen an verschiedenen offenen Angeboten teilzunehmen, die von der Servicestelle Jugendbeteiligung ausgerichtet wurden (ebenfalls online). In diesem Rahmen fanden zum Beispiel ein Gebärdensprach-Workshop, ein Workshop zu barrierefreiem Posting und ein Workshop zum Thema Inklusion im Beruf statt.

Als ersten Gast begrüßten Ninia und Suri um 10:00 Uhr Fabiana Kühl alias „Ypsilon“ im Studio. Die 26-Jährige hat Erziehungswissenschaft studiert, ist ausgebildete Lebensberaterin und sensibilisiert auf ihrem YouTube-Kanal für die Themen (Seh-)Behinderung und Blindheit. Über sich selbst sagte Fabiana, die selbst blind ist, dass sie ganz automatisch Aktivistin sei, sobald sie das Haus verlasse, weil sie immer angeguckt werde: „So gesehen habe ich selten frei.“ Es sei für sie deshalb umso wichtiger, zu wissen, was einem Energie gibt und was einem Energie raubt. Mit Ninia und Suri sprach sie außerdem darüber, welche Sinne beim Träumen eine Rolle spielen und ob sie sich manchmal wünscht, besser sehen zu können (Fabiana wurde mit einer Sehbehinderung geboren und ist inzwischen blind). Ihre Antwort: „Mein Gehirn wäre überfordert von dieser Reizüberflutung. Ich fand es früher sehr cool, Zeitschriften zu lesen und Fahrrad zu fahren. Ich vermisse das Sehen aber nicht unbedingt und brauche es nicht.“ Viele Zuschauer*innen nutzten die Gelegenheit, um Fabiana Fragen zu stellen. Wer dann immer noch nicht genug hatte, konnte am Abend noch einmal seine*ihre Fragen bei einem „Ask Me Anything“ live an die YoutTuberin richten.

Nach Fabiana Kühl war Leeroy Matata im Studio zu Gast. Er ist 23 Jahre alt und war Profi-Basketballer, bis er 2016 zusammen mit seinem Bruder als Webproduzent und Moderator zu arbeiten anfing. Mittlerweile spricht er auf drei YouTube-Kanälen über sowohl lustige als auch ernstere gesellschaftlichen Themen, zum Beispiel Rassismus und Sexismus. Im Studio sprachen Ninia und Suri mit Leeroy auch über das Thema Behinderung und Hilfe im Alltag: „In 98 Prozent der Fälle, in denen mir Hilfe angeboten wird, brauche ich sie nicht“, sagte Leeroy, der seit seinem vierten Lebensjahr einen Rollstuhl nutzt und mit seinem Bruder zusammenwohnt, der ihn viel unterstütze. Auf die Frage, in welchen Lebensbereichen er manchmal noch auf Assistenzen angewiesen sei, antwortete er: „In der Küche“  –  und spielte damit auf seine mangelnden Kochkünste an: „Ich schaffe es sogar, Nudeln anbrennen zu lassen – das ist mein Kochlevel.“ Aufgrund seines Aktivismus im Bereich Inklusion bezeichnet er sich selbst auch als „Inkluencer“.

Zwei Menschen sitzen an einem Tisch auf der Bühne und schauen interessiert an der Kamera vorbei.
Am 26.9. fand die erste digitale Jugendkonferenz der Aktion Mensch statt.
Beim InkluDay drehte sich alles um Inklusion und darum, wie wir uns gemeinsam für mehr Vielfalt und Teilhabe einsetzen können. Mit dabei waren u.a. Gewitter im Kopf, Leeroy und Fabie!
@ Anna Spindelndreier / Aktion Mensch

Im Anschluss an das Gespräch mit Leeroy Matata wurde Esra Karakaya aus dem Homeoffice ins Studio geschaltet. Die 29-Jährige ist Journalistin, Videoproduzentin, Gründerin und hat eine eigene Talkshow auf Youtube, die in diesem Jahr mit dem Grimme-Online-Award ausgezeichnet wurde. Schon bald kam im Gespräch mit Ninia und Suri das Thema Solidarität auf: Ein Wort, das für jeden Menschen eine andere Bedeutung haben kann. „Solidarität heißt, zu verstehen, welche Gruppen es in der Gesellschaft gibt, welche meine Solidarität brauchen und was ich abgeben kann“, so Esra. „Wenn ich keine Zeit habe, in die Suppenküche zu gehen, dann habe ich vielleicht Geld, das ich investieren kann. Schau einfach, wo du helfen kannst, und unterstütze die Menschen, die Expert*innen in ihren eigenen Bereichen sind.“ Neben viel Lob sieht sich Esra bei ihrer Arbeit leider auch immer wieder rassistischen Anfeindungen ausgesetzt. Auf die Frage, wie sie damit umgehe, sagte sie: „Es macht mich sauer, dass es mich so wütend macht, aber so ist es nun mal. Ich schaue immer noch, wie ich damit umgehen kann, so einfach geht das nicht weg.“ Für alle Menschen in einer ähnlicher Situation findet sie trotzdem ermutigende Worte: „Sucht euch eure Empowermentgruppen, vernetzt euch. Und wenn ihr mit der Situation alleine sein wollt, ist das auch okay.“  Bei positiviem Rassismus wiederum habe sie mittlerweile tatsächlich eine Strategien entwickelt: „Wenn mich die Leute fragen, wo ich herkomme, dann antworte ich einfach: ‚Aus Narnia.‘ Danach sind sie ruhig.“

Die letzten Studiogäste nach der Zuschalte von Esra Karakaya waren die beiden YouTuber Jan Zimmermann (21) und Tim Lehmann (21). Auf ihrem Kanal „Gewitter im Kopf“ klären sie gemeinsam und meistens humorvoll über Jans Tourett-Syndrom auf, mittlerweile folgen ihnen über zwei Millionen Menschen auf YouTube. Im Studio erzählt Jan, dass sich das Tourette-Syndrom, das er ironisch „Gisela“ nennt, erst nach seinem 18. Lebensjahr bei ihm entwickelt habe. Suri Abbassi möchte von ihm wissen, ob ihm aufgrund seiner Erkrankung manche Dinge nicht zugetraut würden. „Sehr häufig“, erwidert Jan. Oft werde ihm ganz automatisch die Zurechnungsfähigkeit abgesprochen, weil die Leute sich beim besten Willen nicht vorstellen könnten, dass er alleine einkaufen gehen kann. Auch werde ihm nach wie vor häufig vorgeworfen, dass seine Ticks nur frei erfunden seien. Die Frage, ob ihn Menschen manchmal aus Angst meiden würden, bejahte Jan: Zwar komme das manchmal vor, es sei in den letzten anderthalb Jahren aber deutlich weniger geworden. Nervig sei es hingegen, wenn Leute seine Tricks „triggerten“, d.h. absichtlich hervorriefen, in dem sie bestimmte Wörter oder Sätze sagten. „Das ist dann einfach eine anstrengende Situation: Ticks triggern, das ist, als würdest du jemandem Pfeffer unter die Nase reiben, damit er immer wieder niesen muss.“ Die Fragen der Zuschauer*innen bezogen sich vor allem auf Jans Umgang mit seiner Krankheit und negativen Reaktionen aus seinem Umfeld – wobei letztere von ihm meistens ignoriert würden, wie er erzählte. Während des Gesprächs erhielten die beiden YouTuber allerdings ausschließlich positives Feedback von den Zuschauer*innen: Manchmal wurden sie sogar als „Vorbilder“ oder „Lieblingsmenschen“ bezeichnet.

Nach dem Gespräch mit Jan und Tim verabschiedeten sich alle Teilnehmer*innen schließlich in die Mittagspause, bevor es am Nachmittag mit dem Konferenzprogramm des „InkluDays“ weiterging.
Eine Übersicht des kompletten Programms der digitalen Jugendkonferenz findet ihr noch einmal hier. Mitschnitte der Studiogespräche findet ihr hier und auf dem YouTube-Kanal der Aktion Mensch, viele davon barrierefrei.

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