Miguel Góngora, 17 Jahre alt, ist vor zwei Wochen bereits zum vierten Mal zum Vorsitzenden des Kinder- und Jugendparlaments (KJP) in Charlottenburg-Wilmersdorf gewählt worden. Dort setzt er sich unter anderem dafür ein, dass in jedem Berliner Bezirk – und am besten auch auf Bundes- und Europaebene – ein Kinder- und Jugendparlament eingeführt wird.
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Wenn ihr mehr darüber erfahren wollt, was ein Kinder- und Jugendparlament ist, findet ihr hier weitere Infos am Beispiel des KJP Charlottenburg-Wilmersdorf.
Warum beteiligst du dich?
Vor sieben Jahren bin ich das erste Mal in die Schülervertretung gewählt worden, über diese dann bald darauf auch ins Kinder- und Jugendparlament. Ursprünglich wurde ich davon angelockt, dass es dafür schulfrei geben sollte. Mit der Zeit wuchs dann mein Interesse an der Sache immer mehr: Ich finde, dass man hier wirklich etwas bewegen und sich auch für Themen einsetzen kann, die nicht unmittelbar etwas mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben. Es ist mir wichtig, später einmal sagen zu können: Ich saß nicht bloß da, sondern habe mich eingebracht und auch etwas bewirken können.
Hast du das Gefühl, dass Kinder und Jugendliche aktuell in Berlin ausreichend Möglichkeiten geboten werden, sich politisch zu beteiligen?
Hier im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf ja. Neben dem Kinder- und Jugendparlament gibt es zum Beispiel die Jugenddemokratiekonferenz, die einmal jährlich stattfindet und an der auch das Bezirksamt und der Senat mitwirken. Für schulpolitische Themen ist der Landesschülerausschuss zuständig, bald soll außerdem ein Beteiligungsbüro eingeführt werden. Und dann gibt es die Spielplatzkomission und natürlich zahlreiche Jugendfreizeiteinrichtungen, in denen sich engagiert werden kann. So sieht es aber nicht in allen Berliner Bezirken aus.
Welche Gründe können Kinder und Jugendliche davon abhalten, sich zu beteiligen?
Ich glaube insgesamt schon, dass Kinder und Jugendliche die Möglichkeiten nutzen – sofern die Informationen zu ihnen durchdringen. Die Verbreitung muss deshalb weiter gefördert werden, für das Kinder- und Jugendparlament hängen wir deshalb gerade Infozettel an alle schwarzen Bretter der Schülervertretungen in den Schulen und Jugendfreizeiteinrichtungen auf. Ich verstehe nicht, warum das Jugendamt nicht viel aktiver für Jugendbeteiligung wirbt, da sollte wirklich eine Verbesserung der Vernetzung zwischen Schulen und Jugendfreizeiteinrichtungen stattfinden. Außerdem muss klar sein, dass zunächst die Erwachsenen auf die Kinder und Jugendlichen zugehen müssen – und nicht umgekehrt.
Ich kann mir auch vorstellen, dass sich einige Schüler nicht politisch engagieren, weil sie Angst vor der Reaktion ihrer Lehrer haben. Ich bekomme oft zu hören, dass ich mich lieber ganz dem Unterricht widmen soll, obwohl meine Noten gut sind. Es wäre wichtig, dass die Schulen für solche Fälle ein Konzept erarbeiten und engagierten Schülern vielleicht entgegenkommen: Beispielsweise könnte es für Schüler keine oder weniger Hausaufgaben geben, wenn sie nachweisen können, dass sie sich in der so gewonnenen freien Zeit politischen engagieren.
Die Kinder und Jugendlichen sollten außerdem in ihrer Beteiligung ernstgenommen werden und auch wirklich Verantwortung zugesprochen bekommen: In vielen Bezirken setzen die Beteiligungsformate für Kinder und Jugendliche noch immer voraus, dass diese sich etwas von Erwachsenen vorschreiben lassen. Auch von eingesetzten Kinder- und Jugendbeteiligungsbeauftragten halte ich nichts. Bei denen meldet sich doch niemand und die können dann im Prinzip einfach Dinge beschließen, ohne die Jugendlichen überhaupt vorher zu fragen, was sie wollen. Den Kindern und Jugendlichen sollte aber auf jeden Fall eine erwachsene Person zur Seite gestellt werden, die sie zum Beispiel bei Antragstellungen unterstützt.
Es sollte auch sichergestellt werden, dass tatsächlich genug Geld für die Jugendbeteiligungsformate zur Verfügung steht. Wir beim Kinder- und Jugendparlament müssen zum Beispiel total viel querfinanzieren, um unsere Projekte umsetzen zu können. Das ist viel Arbeit.
Denkst du, dass ein Bürgerhaushalt eine gute Beteiligungsmöglichkeit für Kinder und Jugendliche in Berlin sein könnte?
Ein Bürgerhaushalt ist aus meiner Sicht nur dann eine Option, wenn bestimmte Haushaltsmittel gezielt für Kinder und Jugendliche zur Verfügung stehen. Offiziell sind alle Berliner Bezirke dazu verpflichtet, zehn Prozent aller Ausgaben für die Jugendhilfe in Jugendarbeit zu investieren – aber niemand hält sich daran. Das wird sich mit dem neuen Jugendfördergesetz jetzt hoffentlich ändern, es ist aber ein gutes Beispiel dafür, warum das Geld normalerweise nicht in Kinder und Jugendliche investiert wird, wenn es nicht auch dafür vorgesehen ist.
Außerdem gehen Vorschläge von Kindern und Jugendlichen in einem regulären Bürgerhaushalt schnell unter. Dem muss entgegengewirkt werden: Zum Beispiel müssen die Türen der Stadträte immer offen sein für die Anliegen von Kindern und Jugendlichen.
Welche Anreize können noch geschaffen werden, um auch Kinder und Jugendliche für die Beteiligung an einem Bürgerhaushalt zu begeistern?
Die Wertschätzung von solchem politischen Engagement könnte zum Beispiel durch Ehrungen erfolgen, die später bei der Unibewerbung positiv berücksichtigt werden können. Außerdem brauchen wir Modellbeispiele und Vorbilder an den Schulen: Schüler müssen die Politiker und ihre Arbeit persönlich kennenlernen, um einen Eindruck zu gewinnen, also sollten diese in die Schulen kommen und sich vorstellen. Insgesamt sollte der Kontakt zwischen Politik und Jugend weiter gestärkt werden.
Interview: Clara Zink